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Sympathie mit den Verlierern der Welt

Artikel vom 01.03.2010

hre Heimat ist die Stadt, „in der man immer öfter das Gefühl hat, dass hier jeder Tag der 1. April ist.“ Zurzeit treten Gerd Köster und seine beiden Gitarreros aus gutem Grund lieber in den Nachbarprovinzen auf. Kerpen - Beispielsweise in Kerpen: Denn „Buure-Säu“, die quasi am Rande der Großstadt leben und Kölsch verstehen, gibt es auch dort zur Genüge. Aber die Katastrophenwahrscheinlichkeit ist geringer „Wir freuen uns sehr, heute Abend in einer U-Bahn-freien Stadt zu Gast sein zu dürfen. Man fühlt sich einfach sicherer, wenn man nicht jeden Moment damit rechnen muss, dass gleich der Saal geflutet wird“, begrüßte Gerd Köster die gut 200 Gäste, die sich im seit langem ausverkauften Capitol-Kino versammelt hatten, um mal wieder einen musikalischen Mundartabend der besonderen Art zu genießen. Sie wurden nicht enttäuscht. Fast private Atmosphäre Seit einigen Jahren gehört der nostalgische Kinosaal mit seinen altmodischen roten Tischlampen auf den Getränkeabstellbrettchen zu den festen Stationen der „Köster und Hocker“-Tourneen. Und auch diesmal entwickelte sich hier schnell diese ganz spezielle, fast private Atmosphäre, die Abende mit Gerd Köster immer wieder zu besonderen Erlebnissen machen. „Cash ze Äsch“ (frei: Kohle zu Asche) heißt das inzwischen fünfte Bühnenprogramm der kölschen Reihe, die Köster und sein langjähriger Weggefährte Frank Hocker 1996 sehr erfolgreich mit den „Dreckelijen Krätzjen“ begannen. Es setzt sich etwa zur Hälfte aus älteren, teils noch aus der „Piano Has Been Drinking“-Ära stammenden, aber immer wieder gern gehörten Songs wie „Ringo hängk am Drop!“, „Ruude Jolf“, „Alles im Griff“, „Kinder vorm Berg“, „Jupp“ oder „Fuck Chardonnay“ zusammen. 

Dank der überarbeiteten musikalischen Aufmachung lediglich mit zwei von Hocker sowie dem BAP-Gitarristen Krumminga ganz vortrefflich gespielten Akustik-Gitarren gewannen diese Klassiker frischen Reiz. Kösters neue Lieder, die die andere „Cash ze Äsch“-Hälfte füllen, wirken insgesamt etwas nachdenklicher, ernster und melancholischer als die früheren Sachen. 53 Lebensjahre hinterlassen halt ihre Spuren. „E andermol“ etwa handelt von den vielen guten Freunden, die dieser Welt zu früh den Rücken gekehrt haben, während die Gegner einen nach wie vor quicklebendig umzingeln. Und „Zwesche de Daach“ ist ein bittersüßer Weihnachtsgruß eines viel zu jungen Afghanistan-Soldaten an seine Eltern. Aber keine Bange: Seinen Biss, sein Feuer, seinen trockenen Humor hat Gerd Köster nicht verloren, seine Ausdruckskraft als stimmgewaltiger Sänger ebenfalls nicht und seine Begabung, Texte von faszinierender poetischer Kraft zu schreiben und diese in „gossenreinem Kölsch“ überzeugend vorzutragen, erst recht nicht. Seine mal in schmutzige Blues-Riffs, mal in sanfte Rockballaden gefasste Sympathien gelten dabei nach wie vor den Verlierern, den Ausgeflippten, den Kaputten und Traurigen dieser verrückten Welt; sein Spott, seine Wut, sein Zorn hingegen treffen all die Etablierten, Arrivierten, Bornierten, die sich nicht nur, aber vor allem in Köln eingenistet haben.