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Irrwitzige Monologe am Lagerfeuer

Artikel vom 23.04.2013 | Zur Quelle

Das Ensemble „Der weisse Knopf“ hat im Capitol-Theater den Wilden Westen wieder auferstehen lassen. Absurde und kurzweilige Szenen wurden auf der Bühne dargeboten und das begeisterte Publikum von Anfang an mit einbezogen. „Meine Freunde nennen mich Mo. Niemand nennt mich Mo. Da, wo ich herkomme, werden auch samstags Schweine geschlachtet.“ Die Sätze kommen vom Band. Sie scheinen aus alten Western-Filmen zu stammen. Irgendwie glaubt man, sie schon gehört zu haben. Die Revolverhelden, die dazu auf der Bühne des Capitol-Theaters die Lippen bewegen, sind verschwitzt, tragen Bärte und blinzeln mit zusammengekniffenen Augen ins Publikum. Sie sitzen in quietschenden Schaukelstühlen, laufen breitbeinig über knarrende Dielenbretter, schwingen Lassos, jonglieren mit Äpfeln, liefern sich brutale Schlägereien, essen Zwiebeln, um zu weinen. Sie halten irrwitzige Monologe am Lagerfeuer, gehen begeistert durch knarzende Salontüren und reiten auf nicht vorhandenen Gäulen in den Sonnenuntergang – die Szenen auf der Bühne im Capitol-Theater sind voller Zitate und parodistischer Anspielungen. 

Vollkommen absurd geht es da zu, aber durchweg kurzweilig. Die Besucher, die zur Aufführung „Longjohn – ein Western ist mehr als ein Gefühl“ der erst kürzlich gegründeten Kölner Theatergruppe „Der weisse Knopf“ gekommen sind, amüsieren sich außerordentlich. Kleinkunst, Slapstick, szenische Darstellung, Improvisation, Tonkunst, Musik, Gesang und Tanz – wer versucht, das Gesehene zu kategorisieren, scheitert sofort. Die Genres wechseln wie das Aprilwetter. Doch während der zwei Stunden setzen sich Nils Buchholz, Schauspieler, Daan Mackel und Sebastian Inaty, Jongleure und Zirkuspädagogen, sowie Christian Mersmann, Komponist und Musiker, mit den Klischees auseinander, die der Wilde Westen so zu bieten hat. Besonders in der Szene, in der die Protagonisten in langer Unterwäsche Ballett tanzen und dabei mit den Verbänden spielen, die sie um ihre Wunden gewickelt haben, wird der in Western so oft zelebrierte Männlichkeitswahn hinreißend auf die Schippe genommen. Regisseurin Bianca Lehnard hat ganze Arbeit geleistet: Es hagelt kreative Einfälle am laufenden Band. „Ich wollte schon immer mal einen Western im Kino spielen“, erklärt die innovative Theaterfrau, warum sie das Kerpener Capitol-Theater als Ort der Premiere gewählt hat. „Das ist so stimmungsvoll und schön. So etwas gibt es in Köln gar nicht.“ Kerpen sei ihr ohnehin nicht fremd. Vor einiger Zeit hat sie zum Ensemble der Theatergruppe „Dell' Arte“ gehört, hat etwa bei der Aufführung „Ein Sommernachtstraum“ mitgewirkt. „Ich sehe mir immer noch jede Aufführung an.“ 
Die Gruppe „Der weisse Knopf“ macht sich jetzt auf, die große, weite Welt der individuellen Auftrags-Theaterarbeit zu erobern. So haben die Darsteller bereits bei einer Dentalmesse ein japanisches Stück gespielt, das der Auftraggeber geordert hatte. Ganz individuell wollten sie arbeiten, erklärt Lehnard. Auf jeden Kunden neu eingehen. Ein Netzwerk aus vielen Künstlern sei vorhanden, so dass sie in die Hände spucken könnten. Darüber hinaus soll es ein „Herzstück“ geben, in dessen Rahmen die Akteure etwas spielen, das sie sich selbst aussuchten. In diesem, ersten Falle war das eben ein Western. Dem Publikum im Capitol gefällt das richtig gut. Es wird von Anfang an mit einbezogen, darf durch selbst gebastelte „16-zu-Neun-Drei-D-Brillen“ gucken, mit Noppenfolie die passenden Geräusche zum Lagerfeuer machen, Close-Ups, also Nahaufnahmen, fordern und mit den Protagonisten auf Tuchfühlung gehen. Und am Ende werden die Helden der Bühne ausgiebig bejubelt.